Samstag, 2. November 2013

Krebs haben nur die anderen, oder?


Es gibt glaub ich niemand, der nicht jemand kennt, der an Krebs erkrankt oder sogar gestorben ist. Diese Krankheit ist die heutige Seuche schlechthin. Man hört es überall. Doch was wenn es einen selber trifft oder einen nahes Familienmitglied?

Meine Mutter war 71 Jahre alt als sie über Bauchschmerzen klagte. Auch meinte sie, sie könne nichts mehr essen. Hmmmm…. Meine Mutter und nichts essen? Das war allerdings sehr bedenklich! Sie hat gerne gegessen und genoss es auch. Sie liebte es wenn der ganze Tisch voller Menschen war, die sie Liebte und sie bekochen durfte. Also waren Weihnachten, Ostern, und Geburtstage der Höhepunkt in ihrem Leben.

Schon einige Jahre zuvor hatte man festgestellt dass sie eine Fettleber hatte und der Cholesterinspiegel zu hoch war. Wirklich was am Essverhalten hat sie aber leider nicht geändert. „Ich lebe nur einmal“ hat sie immer gesagt. Jaja…. Nur wie lange geht das gut?
Auch hat sie immer ein ganz komischer Husten geplagt. So richtig untersucht hat man sie daraufhin nicht. Man hat es immer abgetan als Erkältung. Obwohl sie immer gesagt hat, „ eine Erkältung ist anders“ hat man nur unwesentlich darauf reagiert. Fataler Fehler wie ich heute weiß. Ich hab ihr zwar geraten mal einen anderen Arzt zu fragen aber dass wollte sie nicht.

Trotz dieser Vorgeschichten haben wir uns nicht so viele Gedanken gemacht, dass meine Mutter ernsthaft Krank sein könnte. Sie war so Lebenslustig und hat nur selten gezeigt dass es ihr nicht gut geht.
Als die Bauchschmerzen aber schlimmer wurden, und meine Mutter sichtlich abnahm fingen wir ernsthaft an uns Sorgen zu machen. Klar, sie hatte öfter Bauchschmerzen. Sie war sehr empfindlich was den Magen angeht, aber man hat es immer wieder hinbekommen. Jetzt aber sah man ihr an das da was nicht stimmte. Ich drängte sie doch endlich zum Arzt zu gehen. Die ganze Familie drängt sie, sich untersuchen zu lassen. Sie ging nicht gerne zum Arzt. Aber was sein muss, muss sein!

Die Diagnose

Letztendlich ging es ihr so schlecht dass sie doch den Arzt aufsuchte. Der Überwies sie sofort ins Krankenhaus.
Im Krankenhaus haben, mein Vater, meine Kinder und ich uns versammelt um zu hören was der Arzt zu sagen hat. Und was er sagte, setzte kurzfristig mein Gehirn aus. Er erklärte uns (vor den Kindern) das sich im Darm Gewebe gebildet hat die den Darm verschließt. Es gäbe nur ein winziges loch wo die Nahrung noch durch könnte. Es muss Operiert werden. 60cm Darm soll entfernt werden. Der Arzt bat uns draußen Platz zu nehmen um weitere Untersuchungen durchführen zu können. Als wir draußen so da saßen, sagte mein großer zu mir: „ gell Mama, Oma hat Krebs!“ Da war es; dieses Wort. Krebs! Ich musste schlucken. Was hab ich doch für ein schlaues Kind. Ich hatte es völlig verdrängt. Mein innerstes wollte dieses Wort nicht hören. Ich wollte dieses Wort nicht hören. Aber da war es. Mein Sohn knallte es mir einfach so an den Kopf. Plötzlich musste ich mich mit etwas auseinander setzten was ich nie für möglich gehalten hab. Krebs! Ich sagte: „ Ja, Oma hat Krebs!“ Ich hab es ausgesprochen! Ich fühle mich als würde ich in ein ganz tiefes Loch fallen.

Ich gebe mich stark, schon wegen den Kindern, aber ich fühle mich als würde die Welt aufhören sich zu drehen. Krebs! Das haben doch nur die anderen, oder? Nein, jetzt hat es uns getroffen. Ich bin geschockt. Ich würde am liebsten davon laufen. Aber das geht ja nicht. Jetzt heißt es stark sein und kämpfen, eine Stütze für den Menschen sein, der mich geboren hat.
Die OP wurde schon für den nächsten Tag angesetzt, und sie hat es verhältnismäßig gut überstanden. Doch als der Operierende Arzt nochmal mit uns sprechen wollte ahnten wir noch nicht wie schlimm es wirklich war. Er meinte dass der Krebs schon sehr stark gestreut hat. Ihr ganzer Bauchinnenraum war voller Metastasen. Das war der nächste Schock! Hätte man den Darmkrebst mit einer OP noch bekämpfen können, war plötzlich die Aussicht auf Heilung plötzlich gegen null gesteuert. Lunge und Leber waren angegriffen und da war mir auf einmal klar woher der lästige Husten kam. Kann die Welt zweimal hintereinander zusammenbrechen? Ja, sie kann! Der Arzt hatte das Todesurteil meiner Mutter uns einfach so an den Kopf getackert. Wie geht man damit um?

Ich für mein Teil hab mich erst einmal im Netz schlau gemacht und hab mir ein Buch über Krebs gekauft. Auch mein Bruder hat sich schlau gemacht. Während er aber scheinbar sich mit dem Gedanken auseinander gesetzt hat dass unsere Mutter sterben wird, wollte ich das auf gar keinen Fall akzeptieren.
Die Chemotherapie begann und das war meiner Meinung nach der Untergang eines Lebens. Mit beginn der Therapie konnte man zuschauen wie es meiner Mutter immer schlechter ging. Sie baute von Woche zur Woche ab. Sterben auf Raten wie ich es nenne. Ich suchte verzweifelt nach Alternativen. Die gab es auch, aber meine Mutter glaubte nur das was die Ärzte ihr sagten. Was für ein Fehler!

Misteltherapie, eine alternative Therapie

Ich versuchte ihr immer wieder einzuhämmern dass die Ärzte keine Götter sind und auch nicht immer alles wissen und schon gar nicht für alles offen sind. Letztendlich konnte ich ihr eine Therapie nahe bringen, die aus Misteln bestand und die absolut natürlich und ohne Nebenwirkungen war. Das gute war noch, dass das Medikament auch noch in unserer unmittelbaren nähe  von unserem Wohnort hergestellt wurde. Sie hätte sich die Firma also sogar persönlich anschauen und sich selbst Informieren können. Aber nein, dass wollte sie nicht. Also Organisierte ich alles. Die Therapie wurde von der Krankenkasse bezahlt was natürlich eine Erleichterung für uns war.
Mehr Infos unter : http://www.helixor.de/komplementaere-krebstherapie/misteltherapie/

Eine Krankenschwester meinte, nachdem die Therapie eine Weile lief, dass das Medikament gut anschlagen würde aber die Ärzte es leider nicht zugeben wollen. Ich fühlte mich kurzfristig bestätigt. Man kann also noch sehr viel anderes tun als nur diese schreckliche Chemotherapie über sich ergehen zu lassen. Da aber die Metastasen leider schon in sehr großer Anzahl vorhanden waren, war die Therapie leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Von der Diagnose bis zum Tod meiner Mutter verging fast genau ein Jahr. Ein Jahr indem ich Schritt für Schritt zuschauen musste wie meine Mutter starb. Ja sogar am Schluss elendig Verreckt ist. Ich verwende dieses schreckliche Wort weil ich es so empfunden habe. Jedes Tier lässt man in einem gewissen Stadium friedlich Einschlafen. Und wir Menschen?? Wir müssen es aushalten, wir müssen verrecken.

Ein letzter verzweifelter Versuch ihr Leben zu verschönern

Es war ein anstrengendes Jahr. Bis heute hab ich es nicht geschafft das ganze zu verarbeiten. Was für Kräfte man entwickelt um so etwas in diesem Moment aus zu halten. Ständig war ich bei meiner Mutter. Trotz zwei Kinder und Auto los tingelte ich täglich zu meiner Mutter. Als sie immer Kraftloser wurde stellten wir einen Antrag für einen Rollstuhl. Mit diesem fuhr ich meine Mutter ständig durch die Gegend. Ich wollte soviel wie nur möglich tun, um ihr restliches Leben zu verschönern. Das war eine riiieeesen Aufgabe wo ich des Öfteren an meine Grenzen gestoßen bin.
Es war wirklich schrecklich zu sehen wie sie ständig immer mehr abbaute. Zu Weihnachten hab dann ich ihr Ente essen übernommen. Ich Kochte und machte alles so wie sie es sonst tat. Doch leider ging ihr es da schon so schlecht dass sie nur ein Gäbelchen probieren konnte, von ihrem sonst so geliebten Essen. Es war ein schreckliches Weihnachten.

Ein Leben geht zu Ende

Zum Schluss lag sie dann nur noch auf dem Sofa, da ihr die Kraft fehlte überhaupt auf zu stehen. Das war der Zeitpunkt wo wir ihr ein Krankenbett bestellten und es ihr ins Wohnzimmer stellten. So das sie immer bei uns war. Von da an begann das wirkliche Sterben. Sie schlief immer mehr und war zum Schluss kaum noch ansprechbar. Am 6. Februar sagte eine Nachbarin (sie machte auch Nachbarschaftshilfe und half uns ein bisschen) dass sie es fast geschafft hat. Der Satz klingt mir noch bis heute in den Ohren. Am 7. Februar kam ich noch am Morgen zu ihr. Wusch sie, cremte sie ein, machte nochmal Gesichtspflege und massierte ihre Hände, obwohl ich gar nicht wusste ob sie das noch mit bekam. Auch benetzte ich ihren Mund mit Wasser da er ständig geöffnet war.
Ich werde das Bild nie wieder los, wie sie so dalag. Ich flehte sie an los zu lassen. Ich meinte ein nicken zu vernehmen.
Am Abend rief mich mein Bruder an: „Mutti ist Tod!“

Jetzt hatte er es geschafft, der widerliche Krebs. Wieder hat er ein Menschenleben ausgelöscht.

Und wieder brach eine Welt für mich zusammen. Man versucht sich damit auseinander zu setzen, dass sie stirbt. Sich vor zu bereiten. Aber das kann man nicht. Wenn der Anruf kommt, hört plötzlich die Welt auf sich zu drehen.


                                   Zum Gedenken an meine liebe Mutter!



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